Als Abschluss unseres Schweizurlaubes hab ich mir überlegt, endlich mal Eiger, Jungfrau oder Mönch zu machen, nachdem ich ja schon vor Jahren zum Speedflying im Lauterbrunnental war und dessen Schönheit mich nie so richtig losgelassen hat. Wir trafen uns mit Beni Kälin, einem Multisport-Talent mit Fokus auf kleine Schirme, den ich bereits von einem sagenhaften Urlaub in Socotra kannte und kamen schließlich zum Schluss, dass morgen möglicherweise der Mönch über den Nollen möglich sein sollte. Das Wetter war aktuell sehr wechselhaft, sollte aber über Nacht besser werden und morgen gut sein.
Ok, nach Grindelwald gefahren, alles zusammengepackt, ich den Bantam 14, Eisausrüstung inkl. 5 Schrauben, Catherine ein 60m Halbseil, usw. , . Als wir noch schnell gegessen haben, bemerkt Cathy plötzlich einen großen Wasserfall im Hintergrund aus einer Verjüngung der größeren Berge… oder eine Lawine? Wir waren schon generell skeptisch bezüglich der Neuschneemengen, zumal wir uns in den Westalpen im Sommer nicht sehr gut auskennen, deshalb sahen wir uns dann darin bestätigt, morgen lieber an den See zu fahren anstatt uns in ungewisse Lawinengefahr zu begeben. Eine nicht unerhebliche Regenfront bestätigte uns in unserer Entscheidung. Ein Schweizer, der sich gerade ein Ticket für die Jungfraujochbahn gekauft hat und aussah, als verstünde er etwas vom Bergsteigen, hat mir aus ebenfalls vom Nollen abgeraten, aber ich kann dessen Meinung natürlich nicht gut einschätzen. Ich wollte das jedenfalls auch Beni mitteilen, der mich dann aber darauf hinwies, dass der Regen schon bald kein Thema mehr wäre und dass auch die „Lawine“ ganz sicher ein Eisabbruch von diesem Berg war, das sei typisch. Im Wissen, dass die letzte Bahn in 10 Minuten losfährt und mein erneutes Umentscheiden meiner Glaubwürdigkeit vor Cathy sicher nicht zuträglich war, erklärte ich die Situation in aller Kürze und mit einem eher schlechten Gewissen und wir parkten schnell das Auto um zur Bahn zu düsen, die wir etwa 1 Minute vor Abfahrt noch erreichten. In der Bahn sitzend fuhren wir dann Richtung Station Eigergletscher, während ich Cathy versicherte, dass ich Benni vertraue und dass das schon alles klappen würde und dass wir ja jederzeit uns auch umentscheiden könnten und abbrechen. Mittelmäßig zufrieden mit unserem Plan beschlossen wir zumindest, dass die Wanderung auf die Hütte und die dortige Übernachtung eine Unternehmung für sich sind und sicher auch so Spass machen würde.
Die Selbstversorgerhütte war tatsächlich ein absolutes Highlight. 1. waren wir allein, 2. war es aufgrund der Witterung und Höhe doch ganz schön kalt auf der Hütte, da kam uns der Koch-Holzofen und die fein aufgeschnittenen Scheiter ganz schön gelegen. Besonders schön war es, dass wir alleine dort waren und der Platz der Hütte auf diesem Felssporn schon eine coole Stimmung macht. Wer blickt schon vom Klofenster 100erte Meter auf zerklüfteten Gletscher hinab?
Früh am nächsten taten wir so, als würden wir die Tour tatsächlich beabsichtigen, obwohl ich genau wusste, dass es noch viele Fragezeichen gab und Cathy alles andere als überzeugt war. Die etwa 2-3cm hohe Neuschneedecke vor der Eingangstür machte uns nicht unbedingt zuversichtlicher. Da ich uns aber nicht in Gefahr sah, solange wir jederzeit Umdrehen konnten, schaltete ich um auf Stufenplan und gewann mit jedem Meter Höhe auch an Selbstsicherheit.
Die Wegfindung, die anscheinend in dem schrofig-plattigen (aber sehr leichtem) Gelände auch schief gehen kann, löste sich aufgrund der vielen Steinmänner sehr einfach auf und wir waren schnell am Mönchsplateu. Dort gibts dann einen Felsaufschwung, wo wir nach ein bisschen hin und her die Steigeisen anlegten und so einfach, aber ein wenig brüchig verschneit auf das Firnfeld unterhalb des Nollen gelangten. Das Firnfeld steilt Richtung Nollen immer weiter auf und unterhalb des Nollen wurde mir wieder einmal bewusst, warum man sich den Gurt lieber frühzeitig anzieht und nicht erst, wenn der Einsatz von Eisschrauben notwendig wird. Danach folgte eine Länge im steilen Firn bis zum Blankeis unterhalb des Nollen selbst. Irgendwann musste der Nollen abgebrochen sein, denn die Nase selbst war überhängend und die einfachste Möglichkeit, darüber zu gelangen war eine Links- mit anschließender Rechtsquerung. Die Linksquerung waren etwa 40m unterhalb des Überhangs und etwa an die 70-80° steil. Die zweite Länge auf den Nollen war dann etwas flacher (max. 70° und eine weitere SL dann immer flacher werdend auf die Fläche unterhalb des Gipfelplateaus. Wir haben eher kurze SL im steilen Teil gemacht (25-40m), was hauptsächlich dem Umstand geschuldet war, dass wir nur 5 Eisschrauben mithatten. 4 für den Standplatzbau und 1 als Zwischensicherung. 6-7 Eisschrauben sind zweckmäßiger. Unsere Wahrnehmung widersprach dabei der Darstellung aus älteren Tourenberichten, deshalb empfehle ich Nachmachern, lieber aktuelle Berichte heranzuziehen. Die Gipfeleiswand war bei uns dünn Firnüberzogen, sodass man zwar immer auf den Frontzacken stehen musste, aber Pickel und Steigeisen waren angenehm griffig, was in dieser Steilheit (etwa 45°) ausreichend war. Als Zwischensicherung platzierten wir alle 60m eine Eisschraube mit Micro Traxion und kamen so ganz gut voran. Da die Wand etwa 400m lang ist und auf eine Höhe von etwa 4100m führt war das ganze aber zum Schluss doch noch ziemlich anstrengend und fordernd. Oben angekommen konnten wir auch nicht wie beschrieben, einfach am Grat zum Gipfel spazieren, sondern mussten aufgrund großer Überwechtung die gesamte Wand nach links querend bis ins leichtere Gelände überwinden. Nachdem wir 2 Tage keine Menschen gesehen hatten, empfing uns dann am Plateu kurz unterhalb des Gipfels einer von 2 über den Normalweg aufgestiegenen Paragleitern mit dem Spruch: „Do you want Coffee?“ Nachdem wir aus Gewichtsgründen mal ausnahmsweise keinen Kaffee mitgenommen hatten, war vor allem Cathy dies eine sehr angenehme Überraschung.
Dann folgte das, was für mich schon seit zwei Tagen das größte Fragezeichen der ganzen Tour darstellte. Ich hatte ja den kleinen Bergsteigerschirm von Benni ausgeliehen, um EVENTUELL zusammen mit Cathy vom Gipfel des Mönchs fliegen zu können. Final hatte ich dann aufgrund des Windberichts (etwa 30-40km/h) den Bantam 14 im Gepäck und dachte mir, das klappt ja sowieso nicht. Nun waren etwa 0-15km/h und meine Zweifel bestätigten sich noch. Dennoch dachte ich mir, bereiten wir doch mal alles vor und wenns dann nicht geht, können wir ja immer noch die etwa 3-4h zur Gondel gehen und für über 100 Franken pro Person mit der Jungfraujochbahn wieder zum Auto fahren. Ist zwar ganz schön teuer, aber macht man ja nicht so oft im Leben. Nachdem ich dann aber etwas nervös alles hergerichtet hatte, frischte der Wind auf und ein Paragleitstart wurde in meine Gedanken immer möglicher, weshalb sich ein wenig Adrenalin in meine Blutbahn mischte. In Voraussicht einer schnelleren Landung hab ich bereits alle Eisgeräte auf meinen Rucksack gepackt, sodass sich diese nicht zwischen mir und Cathy befinden, wenn wir eine Landung am Hinterteil machen. Als wir alles hergerichtet haben wird der Wind dann etwa 25 km/h und auch ein bisschen böig. Nach 2-3 Versuchen und verdrehtem Schirm, weil das Handling mit Handschuhen und Tandem dann doch nicht so einfach ist, gelingt es mir aber doch, den Schirm über uns schön zu stabilisieren. Mit wachsender Zuversicht (und weiter wachsendem Adrenalinpegel) schiebe ich Cathy ein wenig nach rechts, um sie in die richtige Position für den folgenden Start über eine sehr schnell steiler werdende Schneerinne (wie steil ist nicht ganz zu sehen und ich will es auch gar nicht ganz genau wissen) zu bringen. Als der Wind immer noch nicht wieder nachgelassen hat entscheide ich schnell und rufe Cathy „Lauf!“ zu. Die macht glücklicherweise genau das und wir heben nach vielleicht 10 eher schnellen Schritten ab und gleiten in leicht turbulenter Luft mit schnell größer werdendem Bodenabstand Richtung Eiger Nordwand! Nachdem ich mich schnell damit abgefunden habe, dass Cathys Rucksack mir beinahe die gesamte Sicht nach vorne versperrt, der Schirm sich ziemlich rollig fliegt und auch die Luft etwas turbulent ist, versuche ich die nächsten Minuten den Blick auf die monumentale, fürchterliche Nordwand zu genießen und fliege nach stärker werdenden Turbulenzen nahe der Wand etwas vorschnell Richtung Grindelwald, da ich auf meiner obligatorischen TODO-List noch „Landeplatz aus der Luft finden“ stehen habe. Glücklicherweise gelingt dies dank Bennis Google-Earth-Vorbereitung recht schnell und ich entscheide mich anstatt des normalen Landeplatzes für ein längeres Feld, wer weiß wie weit wir mit dem Teil bei der Landung noch gleiten werden, bevor wir hoffentlich sanft in der gemähten Wiese die letzten paar km/h auf unseren Hinterteilen bremsen werden. Ich entdecke noch eine Stromleitung, die uns als obligatorisches Eintrittshindernis und Referenz dient. Nach ein wenig links-rechts Höhe abbauen entscheide ich mich für den geraden Endanflug, bleibe noch etwas auf der Bremse und lasse den Schirm dann in etwa 15 Metern Höhe nochmal vollständig frei fliegen um ein bisschen Schwung für den Flair zu generieren. Dementsprechend schnell, aber sicher vernichtet der Bantam die letzten Meter und lässt sich trotz des leichten Übergewichts perfekt flairen. Erleichtert über sich wieder einmal bewahrheitende Einschätzung von Benni rutschen wir noch 1-2 Meter dahin, bevor wir einfach ohne viele Worte für einige zehn Sekunden in der Wiese liegen bleiben. Ich (obwohl ich Ähnliches ja schon öfter gemacht hab) kann noch gar nicht fassen, dass das alles so geklappt hat und Cathy, die bisher weder auf einem 4000er war, noch jemals mit einem Paragleiter geflogen ist ist sowieso in einem emotionalen Ausnahmezustand. Für den Moment wollen wir in der brennenden Augustsonne schnell unsere Kleider loswerden und in einem See baden gehen (was wir später auch tun werden) und denken nicht daran, so schnell wieder einem höheren Berg nahe zu kommen. Aber im Grunde weiß ich, dass die nächsten Pläne schon bald geschmiedet werden. Aber ein bisschen Erholung für Körper und Seele tut uns jetzt auf jeden Fall beiden sehr gut!